Die Bagage ist eine Erzählung der österreichischen Autorin Monika Helfer. Die Bagage, das sind die Roglers, die Familie von Monika Helfers Großmutter Maria.
Die Leserinnen und Leser der 6A sind mit dieser Familie und den Bewohnern des Dorfes ins Gespräch gekommen. Und dann mit ihrer eigenen Familie!
Die Familie ist mysteriös. Vor dem Joseph und dem Lorenz habe ich Respekt, aber zugleich auch Angst. Die beiden sind schlau und unberechenbar. Die Maria hingegen ist eine angenehme Persönlichkeit, leider kenne ich sie nicht gut. Wegen dem Joseph traut sich niemand mit ihr zu reden, schade. Alle im Dorf finden die Maria hübsch. Dem stimme ich zu, aber ich finde, sie sieht traurig und leer aus. Ich glaube, das ist nicht wegen dem Joseph, sondern wegen der vielen Kindern. Ohne Geld und Essen muss es schwierig sein, so viele Kinder zu erziehen…
In letzter Zeit hat man nichts mehr von der Bagage gehört. Das ist merkwürdig, denn normalerweise hört man öfter etwas Neues von dem Pack. Aber ich muss sagen, das ist sowieso um einiges angenehmer. Die Familie von Maria und Maria selbst sind seit einigen Monaten Gesprächsthema Nummer eins. Das geht mir auf den Geist und dem Johannes und dem Franz auch.
Ich finde, die Bagage hat nichts in unserem Dorf zu suchen, die machen nur mehr Probleme als jemals ein Mensch lösen könnte. Und der Bürgermeister hilft ihnen auch nur wegen der Maria. Außerdem hält die Bagage zu viel von sich selbst. Die denken, sie seien die wichtigsten.
Aber vor dem Josef sollte man sich in Acht nehmen.
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Die sind anders als die anderen. Manche würden sagen, es gehört sich nicht, so zu leben wie die. Der Joseph ist ein Mann, vor dem jeder Respekt hat, aber nicht, weil er nett oder anständig ist, man hat Respekt, weil er groß und stark und unheimlich ist, und weil er eine Frau wie die Maria hat. Viele Männer wären auch gern der Mann von der Maria. Doch die Maria will nur den Joseph, die zwei halten zusammen, auch wenn der Joseph natürlich manchmal die Maria schlägt, er ist eben kein sensibler. Obwohl er ihr nicht hinterherjagt wie die anderen Männer, lieben sie sich. Sie haben auch Kinder. Viele Kinder. Manchmal ist es sicher schwierig für die Maria und den Joseph, ohne viel Geld so viele Kinder groß zu ziehen, aber das ist eben so bei der Bagage.
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Da hinten, ganz am Ende des Dorfs, da wohnen die Roglers. Eine Bagage.
Der Mann hat nie einen fixen Beruf, und wenn Sie mich fragen, dann geht der nur aus dem Haus, um das Arbeitslosengeld irgendwo zu versaufen. Seine Frau und die vier Kinder lässt er dann allein, und ich glaub, das ist ihr gar nicht unrecht. Die Kinder sollten Sie sich mal ansehen. Geflickte Hosen, zerrissene Hemden, Dreck im Gesicht, turnen sie den ganzen Tag im Garten herum. Manchmal sind die so laut, dass man es im ganzen Dorf hören kann. Unerträglich.
Die Frau Rogler scheint aber eine anständige Person zu sein, weil ich seh sie jeden Sonntag in der Kirche, und dann ist sie auch ordentlich angezogen.
Ach, fragen´s mich nicht nach den Roglers. Eine Schande für unser schönes Dorf.
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Die Bagage ist schon eine ganz eigenartige Familie. Ich meine, ich wohne schon seit 10 Jahren hier in diesem Dorf, und so eine komische Familie habe ich noch nie gesehen. Der Vater, Josef heißt er, glaube ich, scheint zwar klug zu sein, wirkt aber recht eigenartig, wenn man mich fragt. Von ihrem ältesten Sohn Lorenz wird nur gesagt, dass er genau so klug sein soll wie sein Vater, aber ich habe gerade mal ein paar Sätze mit ihnen geredet, also kann ich das nicht wirklich bestätigen. Die Frau von Josef, Maria heißt sie, ist wirklich sehr hübsch. So hübsch, dass mein Mann die ganze Zeit nur von ihr redet.
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Zu der „Bagage“ zählen Josef und Maria mit ihren fünf Kindern. Sie besitzen zwei Kühe und eine Ziege. Zusammen leben sie am Rand des Dorfes, weil ihre Vorfahren später gekommen sind als die anderen und der Boden dort am billigsten war. Die Attraktion der Familie ist die 30-jährige Maria. Sie weiß ganz genau, dass sie den Männern gefällt und ihnen die Augen verdreht. Sie hat schwarze, eng am Kopf liegende Haare. Und damit die noch besser zur Geltung kommen, trägt sie weiße Sachen! Außerdem ist es ihr wichtig, dass die Kleidung der Familienmitglieder sauber ist, deswegen wäscht sie die auch so oft.
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Niemand weiß Genaueres über diese Familie, aber dies ist bekannt: Eine arme Familie, die nichts mehr hat, außer sich selber und das Haus, in dem sie wohnen, leben am Rand des Dorfes, haben mit niemandem Kontakt, niemand kennt sie. Sie sind Fremde, man sieht sie kaum im Dorf, und in die Kirche kommen sie auch nur sehr selten.
Maria, eine Frau, deren Mann in den Krieg ziehen musste, lebt mit ihren vier Kindern, ein paar Kühen und Ziegen in ihrem heruntergekommenen Haus. Als alleinstehende Mutter muss Maria viel arbeiten, sich um das Essen kümmern und um die Tiere. Die Kinder müssen sowohl in die Schule gehen als auch zu Hause der Maria unter die Arme greifen.
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Oben auf dem Berg leben sie, dieses Mysterium von einer Familie. Viel über sie kann ich leider nicht sagen, nicht, dass ich nicht wollen würde.
Der Joseph, das ist mal ein Mann. Stämmig, muskulös, alles Drum und Dran. Emotional schaut die Sache etwas anders aus. Zumindest was ich weiß. Die Maria ist ordentlich hübsch, das weiß sowieso jeder. Aber in ihren Augen steckt etwas, schwer zu beschreiben. So viel Trauer, und doch so viel Leere zugleich. Woher die kommt, kann ich nicht sagen. Aber bei so vielen Kindern kann das Leben kein leichtes sein.
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Ich habe in meinem ganzen Leben schon viele eigenartige Leute getroffen, aber niemand ist so komisch wie die von der Bagage.
Die leben am Rand des Dorfes, ganz abgeschottet von allen anderen. Wer weiß, was die da den ganzen Tag machen? Man sieht sie auch fast nie unten im Dorf. Manchmal den Josef, ein kluger, aber eigenartiger Mann. Angeblich soll der Sohn, Lorenz heißt er, auch so intelligent sein. Hoffentlich macht der mal was aus seinem Leben. Einmal habe ich mit der Maria, der Frau vom Josef, geredet. Eine hübsche, intelligente Frau. Ein Jammer, dass sie mit einem wie dem Josef verheiratet ist.
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Ich lebe jetzt schon mein ganzes Leben in diesem kleinen Dorf, und die Bagage, die da oben am Rand des Dorfes wohnt, ist eine ganz eigenartige Familie. Die Eltern, Josef und Maria, haben 4 Kinder. Josef hat keine fixe Anstellung, deswegen hat die Familie nie genug Geld, und jetzt muss Josef auch noch in den Krieg ziehen.
Die arme Maria wird es in nächster Zeit nicht leicht haben. Sie ist eine wunderschöne Frau. Die Kinder sehe ich nur ab und zu im Dorf herumlaufen. Nur mit dem Lorenz habe ich einmal geredet, ich habe gleich gemerkt, dass er so klug ist wie sein Vater, hoffentlich wird Lorenz nicht so ein unberechenbarerer Erwachsener wie er.
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Um die Bagage ist es ganz schön leise geworden. Man hört gar nichts mehr von ihnen. Aber recht ist es mir. Diese Familie war immer schon etwas komisch. Speziell Joseph und Lorenz find ich seltsam. Ich habe keine wirkliche Angst vor ihnen, aber Respekt.
Nur die Maria, die war irgendwie immer nett. Aber mit der kann man auch nicht mehr wirklich sprechen, wegen dem Joseph. Das Allerschlimmste ist, finde ich, aber noch die Sache mit dem Bürgermeister. Unser Bürgermeister macht wegen der Maria jetzt auch noch gemeinsame Sache mit dieser Bagage. Wenn ich ganz ehrlich bin: Unser Dorf wäre besser dran ohne die Bagage.
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… nach der Lektüre von Die Bagage sind die Leserinnen und Leser der 6A mit Mitgliedern ihrer eigenen Familie ins Gespräch gekommen:
Meine Großmutter
Gestern hatte ich dann diesen netten jungen Mann kennengelernt. Er hat direkt mein Herz erobert und ich wusste, dass ich ihn auch noch öfter sehen werde. Paar Tage darauf trafen wir uns und er nahm mich mit auf eine Motorrad-Tour. Wir waren verliebt.
Währenddessen bekam ich immer größere Probleme in der Schule und blieb einmal sitzen. Nachdem mich meine Mutter wegen meinen Noten angeschrien hatte, flüchtete ich von zu Hause und lief zu meinem Liebling. Da passierte es, und ich war schwanger.
Neun Monate später, kurz nach meinem 17. Geburtstag, kam meine Tochter auf die Welt, und ich war gezwungen die Schule abzubrechen.
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Meine Oma musste im Krieg aus ihrem Heimatdorf flüchten. Sie konnten nichts mitnehmen und mussten sogar ihren eigenen Hasen als Gulasch essen, weil sie nichts hatten. In der Nachkriegszeit hat sie dann als Zahnarztassistentin gearbeitet. Es ist sicher nicht einfach, als Kind in so einer Zeit aufzuwachsen. Heutzutage leben alle Jugendlichen in einer Art Scheinwelt, und wir können es uns nicht vorstellen, in einer auch nur annähernd so schlimmen Zeit zu leben wie die Leute damals, als man nicht wusste, ob man den nächsten Tag überleben wird.
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Die Schwester meines Großvaters
Es war Kriegszeit oder unmittelbar danach. An diesem kalten Tag, sagte mein Opa, ist etwas Schlimmes passiert, weil meine Schwester und ich es nicht besser wussten. Wir waren damals noch Kinder, 10-14 Jahre alt. Unsere Familie lebte nahe einem Wald, und meiner Schwester und mir war oft langweilig. Also sammelten wir oft. Diverses. Von Steinen bis zu Patronen und auch Waffen, die nach dem Krieg liegengeblieben waren. An diesem Tag sammelten wir Patronen. Meistens brannten die gut, und deswegen machten wir beide ein kleines Feuer und warfen die Patronen ins Feuer.
Es musste wegen der Hitze sein. Eine Patrone war noch geladen und wurde abgefeuert. Sie traf meine Schwester. Direkt in den Bauch. Sie war schwer verletzt, aber wir schafften es irgendwie ins Krankenhaus. Mit medizinischer Hilfe überlebte sie es.
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Meine Oma
Meine Oma lebt leider nicht mehr, und doch habe ich das Gefühl, sie war und ist immer da. Meine Oma war die Mutter meines Vaters, die anderen Großeltern sind gestorben, als ich noch ganz klein war, und ich kann mich nur wegen der Fotos noch an sie erinnern.
Meine Oma ist in der Slowakei geboren und hat dort die Schule und ihre Ausbildung gemacht. In jener Zeit durfte man nicht studieren, was man wollte oder wofür man geeignet war, sondern was der Staat erlaubt hat. Meine Oma hat daher eine technische Ausbildung gemacht und dann in einer Fabrik gearbeitet.
Das ist eine meiner Lieblingsgeschichten von ihr: Sie sagt, sie war die Sekretärin des Fabriksdirektors. Heute würde man den Beruf wohl eher als „Vorstandsassistentin“ bezeichnen. Das wäre auch passend, denn außer dem Direktor und ihr wussten nur sehr wenige Menschen, dass in dieser Fabrik keine Schreibmaschinen hergestellt, sondern Panzer montiert wurden.
Ich vermisse diese Geschichten von meiner Oma und die Selbstverständlichkeit, mit der sie sie erzählt hat.
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Meine Ur-Großtante
„Wie lange bist du schon mit ihm zusammen?“, fragte eine Dame auf dem Markt.
Sie sagte, dass es für diese Frage keine konkrete Antwort gäbe. Es gebe immer wieder Pausen in der Beziehung.
„Dir ist schon bewusst, dass er verheiratet ist? Wenn sie von eurer Affäre erfährt, dann landet sie psychisch wieder im Loch. Sie würde das nicht ertragen. Zuerst die Fehlgeburt und dann das. Beende das, was zwischen euch ist!“
„Sie kennen mich doch überhaupt nicht! Ich werde ihn nicht verlassen.“
Magdalena machte sich auf den Weg nach Hause. Kurz machte sie sich Gedanken, dass sich die Frau ihres Geliebten verletzen könnte, wenn sie von der Affäre erfuhr. Doch plötzlich kam ihr ein Spruch in den Sinn: „Man kann sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt“.
Also atmete sie tief ein und tat so, als hätte es das Gespräch mit der Frau auf dem Markt nicht gegeben.
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Mein Opa
Meine Urgroßeltern sind damals mit meinem Opa, dem Vater meiner Mutter, aus Ungarn ausgewandert und hier nach Wien hergekommen. Da war mein Opa noch sehr jung, wahrscheinlich war er 13 oder 14 Jahre alt. Als sie losgegangen sind, hatten sie nicht mehr mit als das bisschen Brot und Gemüse, das sie noch in der Essenkammer übrighatte, und ein paar Jacken und Decken. Sie sind den Weg damals zu Fuß gegangen – meine Urgroßeltern, mein Opa und seine Geschwister (die alle relativ jung gestorben sind).
Es war bereits Anfang Frühling, doch hatte es ziemlich viel geschneit, und es lagen einige Meter Schnee. Nach einigen Monaten mit ein paar Zwischenstopps bei Verwandten, Freunden und netten Menschen (die sie für ein paar Tage aufgenommen hatten) haben sie es dann doch gemeinsam nach Wien geschafft und sind in eine Wohnung eingezogen, in der dann später meine Großeltern gelebt haben (und wo auch meine Mutter aufgewachsen ist). Nach dem Tod meiner Urgroßeltern lernte mein Opa meine Oma kennen, die dann in die Wohnung einzog. Später kam dann meine Mutter auf die Welt. Mein Opa ist leider gestorben, als sie 15 war.
Ich durfte ihn nie kennen lernen. Und mir seine Geschichten aus den alten Zeiten selber anhören.
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Meine Mutter erzählt von ihren Eltern
Sie waren neu dort. Selbst in der Nachkriegszeit hielten alle zusammen, außer zu meinen Großeltern, die waren nicht willkommen.
Aus einem anderen Land sind sie geflüchtet, ohne Geld oder irgendwelchen Besitz, ohne Bekannte, die sie hätten freundlich aufnehmen können, nur mit sich selbst. Nicht mal im Armenhaus wurden sie aufgenommen. Als allerletzten Ausweg wurden sie im Stall vom Armenhaus untergebracht. Die ganze Familie. Acht Kinder hatten sie, was nicht ungewöhnlich war, aber auch nicht sehr hilfreich, wenn man sich sein Zuhause mit dem Vieh teilen musste.
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Meine Großmutter
Der Vater meine Großmutter hat in Warschau an der Oper gearbeitet. Meine Großmutter und ihre Schwester haben dort bei einer befreundeten Familie gelebt, die selbst einen Sohn hatten, der im selben Alter wie meine Großmutter war. Sie erzählt oft, wie viel Spaß sie damals hatten und dass sie gemeinsam ihre Schwester, Renate, geärgert haben. Meine Oma konnte ihre Schwester nie besonders gut leiden, und ich soll unbedingt erwähnen, dass sie nur ihre Halbschwester war.
Nach einer Zeit ist mein Urgroßvater wieder nach Wien gezogen und mit ihm auch meine Oma und ihre Schwester. Sie hat noch jahrelang eine Brieffreundschaft mit diesem Buben gepflegt. Ein einziges Mal haben sie sich noch gesehen, in Bukarest, aber zu diesem Zeitpunkt waren beide verheiratet und hatten Kinder.
Meine Großmutter sagt mir manchmal heimlich, dass sie wünschte, ihr Vater wäre nicht zurück nach Wien gezogen.
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Mein Großvater
“Komm Franz, beeil dich ein wenig”. Mein Großvater war über einen Stein gestolpert. Seine Mutter riss ihn an seinem Arm hoch, so stark, dass sie ihn in die Höhe hob. Ihre immer noch mit Tränen gefüllten Augen sahen leicht schockiert aus. “Entschuldige,” sie wischte Schmutz von seinem Hemd, “aber wir müssen uns beeilen. Die Russen könnten jeden Moment um die Ecke kommen. Wir haben hier nur eine Chance”.
Sie hatte Recht. Sie hatten tatsächlich nur eine Chance. Nur eine Chance, seinen Vater zu sehen, der von Berlin den ganzen Weg bis zur Enns gegangen war, hunderte von Kilometern quer durch das Kriegsgebiet. Falls er es überhaupt wirklich geschafft hatte.
Und da war es: Vor ihnen öffnete sich der Wald and zeigte das Ufer der Enns, ein reißender Fluss, welcher die Grenze zwischen der russischen und der amerikanischen Zone markierte. Seine Mutter nahm ihn bei der Hand. “Punkt 12. Jetzt oder nie.” Gemeinsam schlichen sie zwischen den Bäumen hervor und lauschten. Stille. Nur das Wasser der Enns rauschte. Doch plötzlich erklang eine Stimme in der Ferne, die Franz schon seit so langem nicht mehr gehört hatte: “Leopoldine! Franz! Hier drüben!” Das Gerufe beantworteten sie herzhaft. Mutter und Sohn, beiden stand ein großes Grinsen ins Gesicht geschrieben, von Freudentränen geziert.
Und selbst als die Russen sie bemerkt hatten, dieses Grinsen, diese Freude konnten sie meinem Großvater nicht nehmen.
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Meine Oma, als sie den Marsch von Deutschland nach Polen antrat mit ihren 2 Schwestern und anfangs auch noch Ihrer Mutter.
Gestern hat’s schon wieder gekracht, und ein Haus ist unter einem Bombeneinschlag zusammengefallen. Das 9-mal in dieser Woche! Also ist die Mutti gekommen und hat uns gesagt, dass wir nun gehen müssten. Wohin wir gehen sollten, sagte sie uns nicht, aber wir haben trotzdem alle unsere Sachen gepackt. Vater musste daheimbleiben, denn es sollte ja nicht jeder merken, dass wir gingen.
Also nahmen wir den großen hölzernen Bollerwagen, der im Keller stand, mit dem Vater immer die Einkäufe vom Bauern abholte, und marschierten los. Tagsüber und oft auch nachts. Irgendwann einmal trafen wir Soldaten, die uns fragten, was wir 4 hier zu suchen hätten. Doch das war kein großes Hindernis …